2012-12-31

[..] Diese Nacht entfloh ich den Schmerzen. Nicht mit meiner üblichen Technik, mich so schnell und lang wie möglich dem Schlaf zu überlassen, die Realität nicht an den Rand meines Bettes kommen zu lassen, mich von Träumen trösten lassen. Auch gebrauchte ich nicht Worte zur Hilfe, keine fremden und keine eigenen brachten mich in andere Welten. Die Wirklichkeit benutzte ich und ich erlebte sie wie eine Illusion, eine Wahnvorstellung. Mehrere Stunden lag ich einfach auf den drei Decken und schaute nach oben, blickte ins Nichts und ertrank beinahe in Gedanken, die so schnell wirbelten und mich mitreißen wollten, ein Strudel aus Erinnerungen und Sätzen und Bildern. Doch als ich länger als eine halbe Stunde nichts mehr hörte im Haus, nur noch das Rauschen in meinem Kopf da war, stand ich auf, ganz langsam, um keinen Lärm zu machen, und das Meer in meinem Schädel wurde ruhig, bis kein Tosen mehr da war, kein Schreien, keine krachenden Wellen auf das Ufer, meinen Verstand. Es wurde ganz ruhig, von außen und auch von innen. Es herrschte Windstille über der See in mir, die Oberfläche des Gewässers lag schweigend und unbeweglich da, ein Teppich aus tiefem Blau. Dunkelblau ist beruhigend, sowie Schreiben mit Tinte und Entlangstreichen über Venen dieser Farbe. Ich ließ mich einlullen von der Stille, mein Bewusstsein wurde aber nicht davon getrübt, stattdessen schien mir alles viel klarer, meine Augen erfassten Strukturen auf meinem Weg trotz der Dunkelheit ganz genau. Meine Gedanken waren frei wie ein Fisch im Ozean -zuerst fiel mir der Vergleich zwischen mir und einem Seefahrer ein, doch ist dieser wirklich frei? Er umsegelt die Welt, sieht Schönheit und Trauer, er spürt den Wind und das Salz auf rauer Haut, er ist umgeben von tosenden Wellen und duftender Luft. Als Geruch der Freiheit wurde das bezeichnet von einigen, las ich, aber ist es nicht so, dass der Mann angewiesen ist auf sein Schiff? Ohne dieses kann er das große Weite nicht bereisen, und entscheidet er sich, seine Wege mit ihm zu beschreiten, so ist er gefesselt daran, immerhin solang er nicht in einem Hafen Halt macht. Die Reling ist die Grenze zwischen dem Leben und dem Tod, muss er doch eben bleiben auf dem Boot. Würde das Schiff verlassen werden ohne Ufer in Sicht, so röche der Seemann noch immer das Salz, er würde es schmecken und ebenso spüren wie den Wind, der den Seemannshut davonweht und das Haar zerzaust, ihm würden Wellen über das Gesicht lecken und die Luft umgäbe ihn wie eine zweite Haut. Vielleicht ist das die Freiheit, die er da kostet, er ist frei im Meer und der auswegslosen Hilfslosigkeit, die ihm jedoch nicht zu schaffen macht. Denn wieso zweifeln und fürchten, wenn man Freiheit atmen kann? Und mit Freiheit im Körper lässt es sich sicher viel einfacher sterben, selbst wenn es heißt, Ertrinken sei eine der schrecklichsten Arten, das Leben zu verlassen. [..]

Unfertig. Irgendwann geht es weiter. Vielleicht.

1 Kommentar:

Lina hat gesagt…

Ja, es ist der Lauf der Lebens. Und es ist irgendwie wunderbar, wie meine Oma es so hinnimmt.
Ich glaube nicht an ein Leben nach dem Tod.
Mein bester Freund sagt, dass ich dann Angst haben muss vor dem Sterben. Aber ich habe eher Angst, nicht genug zu leben.
Kennst du 'eine für vier'? Da sagt ein kleines, krebskrankes Mädchen auch etwas in der Art. Ich habe Angst, etwas zu verpassen. Aber nicht angst, dass danach nichts mehr ist. Denn wenn nichts mehr da ist, macht es mir auch nichts mehr aus.
Ich weiß nicht, was meine Großmutter denkt. Ich sehe sie nur ein bis zwei mal im Jahr. Und es ist irgendwie furchterregend, sie vielleicht nie mehr wieder zu sehen.
Danke für deinen Kommentar, er war ebenso wundervoll wie zum Nachdenken anregend. Es bedeutet mir sehr viel, wenn du meine Worte magst.
Ich wünsche dir das Beste für 2013.
Lina♥