2013-01-11


Und manchmal fühl' ich mich, 
als wenn ich immer falle, 
wunder mich, wie's möglich ist, 
dass ich nicht auf den Boden knalle.
Mittelmaß, das Mittel, dass alles ineinander verschwimmt
Jeder Tag ein Gitterstab, ich will dem Gitter entflieh'n.
Ich bin stets alleine, auch wenn noch jemand da ist.

Mein Herz schlägt schnell und unerträglich laut nach meinem Gefühl, obgleich es mir zur selben Zeit vorkommt, als besäße ich gar keines, als sei ich kalt und stumpf, ohne Blut und Leben, nicht imstande, die leiseste Regung zu tun, die einem Menschen üblich ist. Die Scheibe zu meiner linken trennt mich von dahinziehender Dunkelheit, in der man schemenhaft Umrisse von Gebäuden, Leuten, Fahrzeugen erkennt, die Umgebung, die Realität versucht sich noch zu verstecken in dem Kleid der Nacht, das langsam zu Boden gleitet. Lichtkegel durchbrechen das schwarze Gewand beizeiten, und ich lasse mich blenden, schaue, wie sich der Schein ändert, sobald er durch die Scheibe trifft und diese milchig wirken lässt. Am liebsten würde ich meinen Finger erheben und an das beschlagene Glas malen, wie ich es früher zu tun pflegte und wie es auch heutzutage noch die mit dem Bus fahrenden Grundschulkinder tun. Fast muss ich lächeln bei dem Gedanken, dass die Kleinen doch noch Gemeinsamkeiten haben mit denen aus meiner Generation, aber ich kann nicht, bin unbeweglich, auch bin ich nicht imstande, meine Hand zu rühren, um sie an die beschlagene Fläche neben mir zu führen, bin unbeweglich. Für einen Moment ist vor dem Fenster bloß dasselbe zu sehen, nicht verwischt durch die Fahrt, sogar in die Dunkelheit blickend ist mir bewusst, dass der Bus steht. Meine Lider senken sich einen Moment und ich schicke ein stilles Stoßgebet durch die Decke hinauf, bitte nicht bitte nicht bitte nicht bitte nicht. Aber es nützt nichts. Natürlich nichts. Mein Atem kommt so unkontrolliert, dass ich angestarrt zu werden fürchte, als wäre ich ein schwer atmender Drache, kurz davor, Rauch und Flammen und Ruß auszuspeien, oder bloß ein Greis mit teerschwarzer Lunge und dem ständigen Risiko zu ersticken an einem scheinbar simplen Hustenanfall. Mein Kopf will mir einreden, es sei alles in Ordnung und ich lächerlich in meinem Benehmen. Also stelle ich kurz meine Musik etwas leiser, um zu kontrollieren, ob mein Atem rasselnd und anderen unangenehm sein könnte, aber es ist einigermaßen in Ordnung, denke ich. Am liebsten will ich vergessen, wie die Situation ist, mich in den Melodien verlieren, die in meine Ohren fließen, und der Dunkelheit, in der ich allein durch das Betrachten ihres Vorbeigleitens schwimme. Will eintauchen in diese zwei Medien purer Ästhetik und das Gefühl, das auf ihnen, in ihnen und um sie liegt, wie die Gischt auf den Wellen rauscht lautlos und tröstend Melancholie in den Tönen und der Nacht. Doch Verdrängen ist nicht meine Stärke und trotz der Lautstärke, die ich aufgedreht habe, höre und spüre ich ich die Anwesenheit eines Menschen neben mir. Es muss kaum erträglich sein für ihn, denke ich, und versuche, unauffällig noch weiter ans Fenster heranzurücken, will mich so klein wie möglich machen, bis ich verschwinde in dem Ozean aus Musik und Dunkelheit und Melancholie. Ich beiße mir auf die Lippen, verfluche das Pumpen meines Herzens und das Arbeiten meiner Lunge. Es würde mir nichts ausmachen, müsste ich auf den Kohlendioxidaustausch verzichten, wäre sicherlich interessant. Ich will den Sauerstoff doch gar nicht aufnehmen in mich, wo die Luft hier im Bus doch sowieso verbraucht und abgestanden ist, viel lieber atme ich Glück und Liebe und Düfte, Natur und Worte und Sonnenschein. Mein Blick ist ins Leere gerichtet, such dort sehnsüchtig nach Luft, die mir beliebt, doch alles, was ich erkenne, sind Musik, Dunkelheit und Melancholie. Doch das reicht, es ist fast wie Seeluft atmen
Das kursiv Geschriebene entsprang der Feder des Friedrich Kautz.

5 Kommentare:

Tom. hat gesagt…

Dieser Text auch.
Deine Worte.
Sie inspirieren :)

Und so ein Kompliment von DIR!
Danke :) Danke dir sehr!

:)

marie hat gesagt…

du bist so talentiert <3

Lina hat gesagt…

dein talent springt einem ins gesicht.

danke für deine lieben worte.
ich freue mich auch auf den frühling, sehr sogar.
lieb von dir, alles.
danke für deine komplimente.
und zu deinem kommentar auf meinem textblog: danke. ja, liebe ist nähe, auch über große entfernungen hinweg.
es tut gut, jemanden zu haben, bei dem man sich sicher sein kann, dass er einen nicht vergisst.
Lina♥

Shirin hat gesagt…

...oh man...der text nimmt echt mit. wunderwunderwunderschön & wow...sehr gut!
...
ich folge dir jetzt damit ich öfters sowas lesen kann :)

Shirin hat gesagt…

ok, ein problem hab ich...
ich finde den "button" nicht um dir zu folgen :(((