2014-07-26

"Du willst etwas mit Kunst machen? Das ist schön. Das ist gut für einen selbst, etwas zu erschaffen, zu kreieren, etwas von sich selbst in eine Sache zu tun, was vorher unsichtbar war innen drin... Mir fällt eine Geschichte dazu ein, die erzähle ich gern, sie ist wirklich schön. Wir hatten mal einen Patienten hier, der wochenlang kein einziges Wort sprach und fast den ganzen Tag mit dem Gesicht zur Wand in seinem Bett lag. Eines Tages rief er mich zu sich, ich war ganz verwirrt, fragte mich: 'Was ist denn nun mit dem passiert?', und ging zu ihm. Langsam öffnete er seine Faust dann und zeigte mir einen kleinen, in seiner Handfläche liegenden Elefanten aus Speckstein, der er in der Kunsttherapie angefertigt hatte. Von diesem Zeitpunkt an redete er am laufenden Band, erzählte so viel, war endlich aufgetaut, und das durch so heutzutage unscheinbar wirkende Dinge wie Geduld, Zeit, Kunst. All die Wochen hat sich das Team gefragt, was man denn tun könnte, um ihn zum Reden zu bewegen, aber das funktioniert nicht durch aktive Maßnahmen. Es gibt da einen sehr schönen Vergleich, den ich in einer Fortbildung vor hundert Jahren mal gelernt habe: Stell dir ein Hühnerei vor - wenn du mit einem Hammer darauf einschlägst mit dem Ziel, das Küken zum Rauskommen zu bewegen, wirst du keinen Erfolg haben. Das Küken würde Schaden davon nehmen. Es braucht Zeit und Geduld und Wärme, dann wird das Küken von ganz allein die Schale durchbrechen und herauskommen. Genau so ist es auch mit der Seele. Wenn man ruhig wartet und Wärme gibt in Form von Vertrauen und Sicherheit, traut sie sich irgendwann aus der schützenden, aber auch einengenden Hülle, egal, wie lange sie von ihr umgeben war. Und diese Dinge wollen wir versuchen, dir zu geben, damit wir uns daranmachen können, deine Seele dort zu heilen, wo versucht wurde, sie mit Gewalt herauszulocken, und sie wieder aufzupäppeln nach dieser langen Zeit, die sie eingesperrt verbracht hat."
Sinngemäß hat mir dies heute meine Bezugsschwester erzählt, ich musste fast weinen. Sie ist eine sehr weise Frau. 
Seit Donnerstag bin ich in einer Klinik, acht Wochen werde ich voraussichtlich hier bleiben. Wahrscheinlich werde ich also wohl noch unregelmäßiger posten, vielleicht auch doch öfter mal wieder, ich kann es nicht mit Sicherheit sagen. Auf jeden Fall werde ich viel Stoff zum Schreiben haben durch die Therapie und die ganzen Eindrücke, die Menschen, die Geschichten, die Gruppengespräche, all das. Hoffentlich werde ich das in Worte fassen können, ihr werdet bestimmt etwas davon zu lesen bekommen.
Habt noch ein wunderschönes Wochenende!

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