2012-08-09

Einmal stand ich in Chicago an einer Straßenecke und wartete auf Grün, als ein Blinder mit klickendem Gehstock neben mich trat. Wie heißen die Nebenstraßen?, fragte er, und als ich nicht antwortete, drehte er sich zu mir und fragte: Ist hier jemand?
Ich bin hier, sagte ich, und die Worte klangen unerhört tröstlich. Wenn ich in Panik gerate, spreche ich sie laut vor mich hin. Ich bin hier. Meist fühle ich mich nämlich anders. Als könnte mich ein warmer Windstoß für immer wegwehen, ohne dass auch nur der Halbmond eines Fingernagels von mir bleibt. Manchmal ist die Vorstellung beruhigend, dann wieder fröstele ich bei diesem Gedanken.
aus 'CRY BABY' von Gillian Flynn
Oft lese ich auf Blogs oder bei schuelervz von jungen Menschen, die ihr Leben, beziehungsweise das Leben und diese Welt ziemlich wenig bis gar nicht schätzen. Live fast, die young ist das Motto, sterben mit 27 hat Stil, schließlich gibt es ja Vorbilder wie Kurt Cobain und Amy Winehouse, abgefuckt und so beliebt, dass Drogen mehr Bedeutung haben als Fans. Dass es so ein Trend geworden ist, auf die Meinung anderer nichts zu geben, ist vielleicht irgendwie positiv, in Rauch und Rausch zu versinken sehen einige möglicherweise auch als gute Lebensweise an, ob sich das lohnt, ist eine andere Frage. Ich meine, klar, jedem das seine, jeder ist selbst für sein Leben verantwortlich, darf frei entscheiden, was er daraus macht, wie er seine materiellen und emotionalen Besitze gebraucht. Ich verrenne mich hier irgendwie, möchte so viel sagen und nichts passt zusammen, entschuldigt. Worauf ich eigentlich hinaus möchte, ist, dass ich nicht schon jetzt plane, wann ich Lebewohl sagen will. Natürlich dachte ich darüber schon nach, wer nicht, aber in diesem Alter sollte man Träume in seinem Kopf zusammenspinnen, nicht die richtigen Worte für einen Abschiedsbrief suchen. Es gibt einige Momente, in denen ich mir ganz sicher bin, dass ich leben will. Dass ich nutzen möchte, was mir gegeben wurde, dass ich diese Chance nicht wegwerfe. Wenn die Sonne am Abend mit Wolken und Farben am Himmel spielt, tummeln sich in meinem Kopf Bilder von einer rosigen Zukunft. Ich denke nicht an Erfolg, das große Geld oder perfekte Familienverhältnisse, mir erscheinen vereinzelte Szenen vor meinen Augen, die ich wahr werden lassen möchte
Ich möchte meinen Kindern Alice's Abenteuer im Wunderland vorlesen
Ich möchte von meinem Balkon oder einem Platz in der Nähe meines Zuhauses den Sonnenuntergang beobachten können
Ich möchte einen Garten mit einem Beet aus Sonnenblumen haben und einem aus weißen Rosen, die ich rot anpinsel
Ich möchte jemanden in den Schlaf singen
Ich möchte andere inspirieren
Ich möchte besonderen Menschen eigene Wortwerke vortragen
Ich möchte die Wände meines Zuhauses bemalen, verzieren, andere darauf herumkritzeln lassen
Ich möchte Vollmondnächte an der See sitzend aufbleiben
Das klingt sicher nicht besonders, langweilig als Ziele für meine Zukunft, aber ich lächle, wenn ich daran denke, dass sie nicht ganz so unrealistisch sind und vielleicht gar nicht mehr so weit weg von mir
Irgendwie passen die Fotos nicht zum Post und in dem auch nichts zusammen juhu

6 Kommentare:

N.† hat gesagt…

deine ziele klingen gar nicht langweilig, sondern wunderschön. ich muss lächeln, und ich wünsche mir das du all das auch erleben willst.

N.† hat gesagt…

nicht willst oder wirst, tut mir leid.

loony hat gesagt…

wow wow wow
sind das nicht wunderbare Pläne?
ja, das sind sie. weil sie dich glücklich machen werden, weil du immer an sie denken kannst, wenn die Traurigkeit dich überfällt, weil sie dir gut tun und du zu ihnen gehörst,
dein Herz sich nach ihnen sehnt
und es kaum erwarten kann vor Glück Sterne zu atmen.

Farina hat gesagt…

Die Haare sehen ja mal super klasse aus. Deine Pläne sind zauberhaft. Ich hoffe für dich sehr das du diese und noch viele mehr umsetzten kannst.
<3

Charlotte Leonie hat gesagt…

Mir fehlen die Worte. Um dir erwas zu schreiben. Um deinen wundervollen Post zu kommentieren. Derzeit generell um zu schreiben. Ein Windstoß hat sie weit weg von mir getragen und ich muss warten bis sie alles von der Welt gesehen haben um danach zu mir zurück zu kehren und mir davon zu berichten.

Doch ich danke dir für dein Kommentar und ja, dies ist Judith Holofernes. Und deine Worte berühren mich. Ich danke dir für sie.

Lina hat gesagt…

du lässt mich lächeln.
'ich möchte meinen kindern alice's abenteuer im wunderland vorlesen', das steht auch auf meiner liste. weiße rosen einfärben, das klingt so nett.
und ich denke, du wirst einmal ein kleines wunderland erschaffen, ich wünsche dir glück dabei.
und danke dir für worte, die schon lange mal ausgesprochen werden mussten.
Lina♥