2012-09-22

Vom Nachbarsdorf aus gibt es verschiedene Wege, zu mir nach Hause zu kommen. In der Regel nehme ich den kürzesten, der Straße folgenden durch den Wald. Doch mit ist zu kalt, als dass ich im lichtarmen Schutz der Bäume fahren möchte, also biege ich kurz vor Beginn des Waldes ab, komme auf einen Sandweg, radle am leeren Sportplatz vorbei, bis ich zu beiden Seiten des Feldwegs sattgrüne Wiesen neben mir habe. Ich sehe die Sonne sich in den Tropfen auf den Gräsern spiegeln und wie sie sich zum Untergang bereit macht, wenn ich leicht nach links hinten schiele. Die Kontraste sind jetzt so stark, alles sieht so lebendig aus durch das goldene Licht, der Himmel ist so blau, das Gras so grün, der Weg so sandfarben. In einiger Entfernung sehe ich Vögel stehen, einer links vom Weg, zwei rechts. Sie sind schön, haben eine aufrechte Haltung, beinahe majestätisch, gleichzeitig irgendwie ängstlich, vorsichtig. Ihre Verhaltensweise gleicht uns beim Lesen, als sie fliegen -von links nach rechts gehen sie vor, nacheinander breiten sie würdevoll ihre Flügel aus und gleiten in die Lüfte, nacheinander machen sie sich davon, bald sehe ich nur noch ihre Schwingen sie auf die Wolken zu tragen. Wunderschön. Ihr seid wunderschön, denke ich. Und dann muss ich den Kopf schütteln. Ich kenne nicht mal die Bezeichnung ihrer Art. Reiher, Kranich? Storch, Schwalbe, Flamingo, Eisvogel. Ich habe keine Ahnung. So viele Namen, so viele Wunder, so viele Geheimnisse. Ich habe keine Ahnung.  Der knirschende Sand, der pfeifende Wind, die raschelnden Blätter, die wogenden Baumwipfel, sie alle scheinen mir sagen zu wollen: "Du gehörst nicht hier hin." Die Vögel flohen, gaben auf diese Weise dieselbe Meinung kund. Ich gehöre nicht zu der Natur. Doch genau wie sie mir hier eindringlich einflüstert, ich gehöre nicht zu ihr, scheint die Gesellschaft mir diese Worte entgegenzuzischen. "Du gehörst nicht hier hin", schreien die Blicke, die Gesten, die Münder, zwischen den Zeilen und den Höflichkeiten lese ich diese Worte ganz genau, wie hier in den Wolken und auf der Erde. Und wo gehöre ich hin? Der Feldweg ist fast zu Ende, ich sehe bereits Autos und Häuser und bin traurig. Wie schön es wäre, jemand zu sein, der zur Natur gehört -ein Tier, eine Pflanze oder ein Waldmädchen. Ohne Fahrrad und Kunststoffen am Körper, mit bloßen Füßen und mangelndem Schamgefühl, ohne große Wünsche und gekämmtes Haar, Blumen um den Kopf, Blätter auf der Haut... Das Bild verfliegt in der letzten Kurve, fällt in eine Pfütze und verwischt. Am liebsten würde ich anhalten, vom Rad steigen und zu dem Zaun zwischen Kuhweide und Weg gehen. Ich möchte meine Hände um den verrosteten Stacheldraht legen, fest drücken, nicht mehr loslassen. Ich möchte mich festhalten. Ich möchte Halt haben. Irgendwo hin gehören.. Auf den letzten Metern des Feldwegs sehe ich vor der Grenze zwischen Wiese und Häusern,einer kleinen Ansammlung von Bäumen, im Gras ein kleines Reh. Ich lächle. Wunderschön. Mein Fahrrad hat nun bereits asphaltierten Grund unter sich, als ich anhalte und das regungslose Tier betrachte. Nur seinen Kopf bewegt es etwas. Nach ein paar Augenblicken dreht es sich gelassen um und wäscht seine Nase im Gras, während es langsam auf die Bäume zugeht. Wunderschön. "Du bist wunderschön", wispere ich und freue mich für das Wesen, dass es ist, was es ist. Dann steige ich wieder auf und fahre von dem, wo ich nicht hingehöre, an einen Ort, wo ich nicht hingehöre. Vielleicht
Das Lied passt vielleicht nicht so zu dem oben Stehenden. 
Aber es kam mir in den Kopf geschlichen beim Fahrradfahren. 
Und das Video ist so schön, irgendwie.
Und ich wusste nicht, was für ein Bild ich nehmen sollte hierzu.

6 Kommentare:

Lina hat gesagt…

Wow.. es beeindruckt mich, dass meine Worte, meine bloßen Worte, solche Emotionen in dir wecken.
Du hast so Recht, Kinderherzen sind die schönsten. Noch so rein.
Ich hoffe auch, dieses Mädchen passt gut auf sich auf. Sie ist so wertvoll, so besonders. Sie kann ziemlich gemein sein, weil sie so ehrlich ist, ich glaube, ich war früher auch so. Aber wenn sie dich mag, überschüttet sie dich mit Liebe.
Man muss die Augen aufhalten, dann findet man diese Menschen sicher, was meinst du?
Du bist auch so ein Wunder.
Danke, dass du mich als so wunderbar einstufst. Das bedeutet irgendwie viel.
Ich gebe mein Bestes, ein netter Mensch zu sein.

marie hat gesagt…

zauberhafter text, wirklich wundervoll

Anonym hat gesagt…

Das ist ein wunderschöner Text.
Du hast einen Award bekommen:
http://herz-wunder-maedchen.blogspot.de/2012/09/mein-allererster-award.html

Liebe Grüße :-)

pia hat gesagt…

ich mag deinen schreibstil! ich bewundere dich dafür, wirklich!:)
liebe grüße!
http://youngblood-pia.blogspot.de/

N.† hat gesagt…

ich danke dir
das du mich ermutigst
mit deinen warmen worten,
mit deiner verständniss, die mich überwältigt.
manche menschen tun einen gut
manche nicht, man kann nichts dagegen tun, man lernt mit den worten umzugehen, man lernt sie zu verdrängen.
ich versuche mich nicht
an meine gedanken, an meine dornen zu schneiden,
versuch du es bitte auch.

pia hat gesagt…

ich bedanke mich ebenfalls! ♥
und wünsche dir auch einen schönen sonntag!:)
xxx